„It´s Corona-Time“, halb sarkastisch, halb belustigt, aber sicherlich die gesamte Situation noch gar nicht überblickend, begann mit diesem Zwischenruf meine letzte reguläre Vertretungsstunde vor der Schließung der Schulen in NRW am 13.03.2020. Es herrschte eine, trotz der sich zuspitzenden Lage, gelöste Stimmung und es war eine ganz normale Stunde. Die Uhr zeigte 12.00 Uhr und von der Durchsetzung der Schließung wusste noch niemand. Knapp zwei Stunden später ging alles ganz schnell, eine Pressekonferenz in Düsseldorf und kurz darauf eine Durchsage der stellvertretenden Schulleitung: Die Schule schließt. Laute Jubelrufe durch das ganze Gebäude, kaum zu beruhigende Schüler und Schülerinnen. Die Aussicht darauf, dass die Osterferien nun mehr als doppelt so lang werden sollten, war einfach zu verlockend. Auf der Lehrerseite griff das blanke Verzweifeln um sich. Was ist mit meinen Klausuren/Klassenarbeiten? Wie soll ich Noten geben? Wie gebe ich denn jetzt Aufgaben für die nächsten Wochen, damit die lieben Kleinen (und Großen) nicht alles vergessen? Und was soll ich denn über fünf Wochen machen? Oh Gott, Fragen über Fragen! Teams und Outlook waren eine beliebte Lösung, die Zugriffe explodierten, Gruppen wurden eingerichtet und im Eilverfahren eine Verbindung zu den Kindern und Eltern ausgebaut. Schnell noch die EVA-Aufgaben herausschicken und schon war es Mittwoch.

Ab diesem Zeitpunkt war tatsächlich „Corona-Time“, alles war zum Erliegen gekommen. Das Wort „Home-Office“ prägte plötzlich unseren Alltag. Aufgaben wurden per Mail, mit der Post oder über ältere Geschwister per Teams verschickt. Anrufe bei den Eltern ließen durchblicken, dass der direkte Kontakt allen fehlte. Die Kinder seien teilweise nur schwer zu motivieren. Es flossen Tränen, einige waren verzweifelt oder sogar wütend. Aber es gab auch einige fleißige Bienchen, die ihre Aufgaben abfotografierten und dem Lehrer zuschickten. Wieder andere lösten Aufgaben per Telefoncoaching. Bei anderen lief alles ganz vorbildlich und ältere Geschwister und Eltern konnten in dieser zugegeben schwierigen Zeit erfolgreich Hilfestellungen geben. Auch das Schauen von Lernvideos zur Bruchrechnung bei YouTube erwies sich als hilfreich.

Diese „Corona-Time“ macht erfinderisch und trotzdem bringt sie uns alle manchmal an die Grenzen der Belastbarkeit.

Nun, seit die Schule für die ersten Jahrgänge wieder geöffnet hat, stehen die Kollegien und Schulleitungen vor neuen Aufgaben. Wie organisieren wir Unterricht, wenn knapp 20%, 30 % oder mehr der Kollegen einer Risikogruppe angehören? Wie können wir Schutz und Hygiene unter den strengen Voraussetzungen gewährleisten? Wie schaffen wir es für Abstand und Disziplin bei unseren Schülern zu sorgen, würden wir doch selbst gern einmal wieder den Lieblingskollegen in den Arm nehmen und für die tolle Unterstützung der letzten Wochen danken. Aber so ist es nun mal, während der „Corona-Time“ und dem Abstandsgebot.

Unsere Schule, die Martin-Luther-King-Gesamtschule in Ratingen-West schlägt sich momentan durch das Chaos und die Beschränkungen, die diese „Corona-Time“ angerichtet hat. Und das sehr vorbildlich und mit viel Herzlichkeit. Die Klassenräume sind mit nur fünf bis zehn Tischen stark verkleinert. Neben dem „Guten Morgen“ geht der erste Weg zum Waschbecken, Hände waschen, ggf. desinfizieren, Maske abnehmen dürfen usw. Die Auflagen sind mittlerweile allen bekannt.  Trotzdem merkt man, dass das Zusammenkommen in den verkleinerten Gruppen guttut. Es gibt wieder einen Austausch, es können Fragen vor den Prüfungen geklärt werden, man kann einfach auch mal wieder gemeinsam lachen, super!

Auch das Problem der fehlenden Masken wurde kreativ angegangen. Niemand anderes als die Chefin persönlich testete die schuleigenen Nähmaschinen auf ihre Tauglichkeit und rief eine Gruppe ins Leben, in welcher Lehrer*innen Stoffmasken für Schüler*innen nähten. „Corona-Time“ macht nicht nur kreativ, sondern lässt zusammenrücken und mit vereinten Kräften dafür arbeiten, dass unter den momentanen Gegebenheiten die bestmögliche Beschulung für alle möglich ist.

 

 

 

 

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln werden. Die Vorbereitungsphase des Abiturs ist nach den Osterferien auf Hochtouren für alle Abiturfächer angelaufen und die Schüler*innen waren nochmal fleißig. Auch der Sportleistungskurs trainiert fleißig. In der „Corona-Time“ wird dann auch mal alleine gemeinsam auf jeden Fall „kontaktlos“ Volleyball gespielt.

 

Dann die ersten schriftlichen Abiturprüfungen in der Sporthalle, nervöse Schüler*innen, angespannte Kollegen*innen und immer die Sorge, ob alles gut geht und wir die Abiturphase abschließen können.

Die Q1 ist auch wieder im Haus, ab Ende des Monats sollen die übrigen Jahrgänge wieder hinzustoßen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass mir Schüler schreiben „Ich will endlich wieder in die Schule“. Aber so ist es, es fehlt das Miteinander, das Lernen, die sozialen Kontakte, sogar das Streiten und eine Lösung finden und vielleicht fehlen sogar ein bisschen die Lehrer. So wie ihr Schüler auch uns fehlt…